Einerlei: höhere Umsatzsteuer für Kunstwerke

Laut der gestrigen Meldung von Spiegel Online fordert die EU-Kommission Deutschland auf, die reduzierte Umsatzsteuer von 7 % für Kunstwerke abzuschaffen. Der Regelsatz der auch als Mehrwertsteuer bezeichneten Abgabe auf alle veräußerten Güter und Dienstleistungen liegt in Deutschland derzeit bei 19 %. Da Deutschland über keine Sondergenehmigung für diese Ausnahmeregelung in Hinsicht auf Kunstgegenstände verfügt, drohen nun ein Verfahren vor dem Europäischem Gerichtshof in Luxemburg und im Falle einer Verurteilung eine Geldstrafe.

Europa ist einfach eine tolle Sache! Der Zwang zu einer europäischen Angleichung der Verhältnisse sowohl in Hinsicht auf Gesetzgebung, als auch auf Geldpolitik führt immer weiter dazu, über verkrustete Strukturen im eigenen Land neu nachzudenken. Allgemein nimmt man die meisten Dinge so hin, wie sie seit Jahrzehnten bestehen. Es werden sogar aufgrund der langen Bestandszeit mancher Vorrechte diese von den Nutznießenden als selbstverständliche Besitzstandsrechte in Anspruch genommen. Durch die Hinterfragung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Kunstgegenstände durch die EU-Kommission erhalten wir jetzt die Chance, alte Gewohnheiten auf den Kopf zu stellen, zu hinterfragen und je nach neuer Einschätzung die Dinge so beizubehalten und gegenüber der EU-Kommission durchzusetzen oder aber entsprechend der Forderung abzuändern.

Während Deutschland gerne in Bezug auf die Bevorzugung bestimmter Klientel mit dem Finger auf andere europäische Länder zeigt, ist es nicht in der Lage, gleichartige Ungereimtheiten bei sich selbst zu erkennen. Dafür benötigt es den Blick von außen und auch den Druck, den uns dankenswerterweise die EU liefert. Durchaus mit Recht empörte man sich in Deutschland über das Speditionsgewerbe Griechenlands, wo bis vor kurzem noch die limitierten LKW-Lizenzen von den Lizenzinhabern an Interessenten für bis zu sechs-stellige Eurobeträge weiterverkauft worden waren. Aber die Besitzstandswahrung des Kunsthandels in Deutschland ist m. E. genauso negativ zu beurteilen wie der abgeschottete Markt für wenige LKW-Lizenzinhaber in Griechenland.

Bislang wird in Deutschland mit der Förderung der Kunst begründet, warum der Handel mit Kunst gegenüber anderen Handelsgewerben im Steuersatz bevorzugt werden. Dabei ist der Kunstbetrieb, d.h. die Produktion durch Künstler, der Vertrieb durch Galerien und der Kauf durch Sammler, Museen und ganz normale Bürger, kein anderes Gewerbe als das des Friseurwesens, der Software- oder Automobilbranche. Bezeichnend für die unsinnige Bevorzugung ist, dass – wie es im Spiegel-Online-Artikel ebenfalls heißt – Fotografien, Siebdrucke und Lichtinstallationen nicht den reduzierten Umsatzsteuersatz in Anspruch nehmen können. Angesichts der Popularität, die die Fotografie in der aktuellen Kunstszene genießt, geht jedes Verständnis für die Einordnung des reduzierten und nicht reduzierten Steuersatzes verloren.

Kunst ist eine Handelsware und gleichzeitig ein Spekulationsobjekt. In hochwertige Kunst wird durch Banken, Versicherungen und Spekulanten auch Geld angelegt. Auf Auktionen werden zum Teil irrwitzige Preise dafür erzielt, auf die dann immer noch der reduzierte Steuersatz und die Auktionsgebühren en passant aufgeschlagen werden. Wieso sollte sich der Staat seinen ihm zustehenden vollen Anteil beim Handel entgehen lassen? Die Kunst wird nicht durch den Verzicht auf 12 % Steueranteil gefördert, denn ein Kunstobjekt hat einen Marktwert, der durch Steuersätze oder Auktionsgebühren nicht angegriffen wird. Dieser Marktwert wird durch Modeströmungen, Bekanntheit der Künstler, Alter, Zustand und ein bisschen auch durch das jeweils verwendete Material bestimmt. Bronzeobjekte sind schließlich definitiv teurer als Aquarelle. Das bedeutet, dass jeder Kunsthandelnde bislang 12% seiner Käufe und Verkäufe in die eigene Tasche streichen kann, während ein Möbelhaus oder Tischler die volle Umsatzsteuer an den Fiskus abzuführen hat. Steuergerecht ist das nicht!

Betrachten wir die Begründung für die steuerliche Bevorzugung einmal näher: Es wird die Kunst als solche gefördert. Wieso? Kunst hat es immer zu jeder Zeit gegeben. Das Bedürfnis der Künstler, sich auszudrücken und der Wunsch Wohlhabender, diese Kunst zu kaufen; ob zur Verschönerung des eigenen Heims oder als Geldanlage, sei dahin gestellt. Kunstschaffende produzieren Kunst und verkaufen diese zu einem Preis, der vom Kunden akzeptiert wird. Häufig sind hierbei Galerien zwischengeschaltet. Diese behalten die Hälfte der erzielten Verkaufserlöse für sich. Sind die Künstler bekannt oder gar berühmt, besitzen sie damit einen hohen Marktwert. In diesen Fällen können sie den Regel-Mehrwertsteuersatz auf ihre Produkte ohne Abschläge für sich auf die Kunstobjekte aufschlagen. Sind die Künstler eher unbekannt, verkaufen sie meist selten ein Kunstwerk von sich. Sie finden auch weniger häufig eine Galerie, die sie vertritt. So kommen sie aber auch nicht über die vom Staat festgelegte Umsatzgrenze, ab der überhaupt die Mehrwertsteuer in der Rechnung ausgewiesen werden muss. Bei unbekannten Künstlern, die ihre Kunst selbst verkaufen, zieht der Staat erst die Mehrwertsteuer ein, sobald jene so viel ihrer Kunst verkaufen können, dass es eine Existenzgrundlage darstellt. Wenn die Existenzgrundlage aber einmal geschaffen ist, sind 19 % an Steuerbelastung der Verkäufe durchaus legitim.

Den unterstützendswerten Künstlern nützt also die reduzierte Mehrwertsteuer gar nichts, da sie eh nur geringe Umsätze haben. Diesen Künstlern ist mit Stipendien sehr viel mehr geholfen, die der Staat von einem Teil der Mehreinnahmen zusätzlich ausloben könnte. Wenn denn der Staat wirklich die Kunst fördern möchte, wäre außerdem eine bessere finanzielle Ausstattung der Museen nützlich. Bekannte oder berühmte Künstler erzielen im Gegensatz zu den unbekannten Künstlern aber so viel Umsatz, dass sie die Steuern nicht schmerzhafter zu spüren bekommen, als sie jeder normale Lohnempfänger spürt. Und Käufer, die es sich leisten können, mehrere Tausend bis Millionen Euro in Kunst zu investieren, können bei ihren Transaktionen auch den vollen Steuerregelsatz an den Staat entrichten.

Von dem bisherigen vergünstigten Steuersatz profitieren also ausschließlich diejenigen, üppig ausgestatteten Kunstmarktteilnehmer, die etabliert sind, die begehrte Kunst verkaufen und die, die das entsprechende Geld dafür besitzen. Diese Kunst wird aber auch in Zukunft noch in Galerien an Kunstsammler verkauft werden, wenn die Mehrwertsteuer die gleiche ist wie für Autos, Kühlschränke und Sofas. Dadurch wird die Kunst selbst nicht entehrt. Holt in Deutschland die Kunst aus ihren elitären Sphären und schafft den reduzierten Mehrwertsteuersatz im Kunsthandel ab!

3 Kommentare

[…] sind natürlich höchst empörter Natur, so wie es sich für Lobby-Arbeit nun einmal gehört. Ich habe bereits vor ein paar Tage meine Meinung zur Abschaffung des reduzierten Steuersatzes kund g…. Das Magazin artnet hat sechs Protagonisten der Kunstszene – fünf vom Kunsthandel, einer von […]

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