Einerlei: vertane Chance auf Kunsthalle in Potsdams Mitte

Ich gehe regelmäßig über die „Lange Brücke“ vom Potsdamer Hauptbahnhof in Richtung Alter Markt. Der Weg ist ein wenig abschüssig, so dass man etwas von oben auf die Potsdamer Mitte blicken kann: auf den Neubau des Brandenburgischen Landtagsgebäudes geradeaus, auf das frisch sanierte Alte Rathaus und die Nikolaikirche rechts und links auf das Hotel-Hochhaus des Mercure. Gestern kam mir bei diesem Anblick wieder in Erinnerung, wie schade es ist, dass die großzügige Spende von Hasso Plattner keinen umfassenden Rückhalt in der Bürgerschaft erhalten hat. Ein kleiner Stich in meinem Herzen machte sich bemerkbar, bei dem Gedanken, welche Gestaltungsmöglichkeit der Potsdamer Mitte sich daraus ergeben hätte.

Das Mercure-Hotel und der noch im Bau befindliche Brandenburger Landtag in Potsdam vom Wasser aus gesehen

Kurz zusammengefasst bot Hasso Plattner Anfang 2012 an, das Grundstück und das Hotelgebäude aus dem Jahr 1969, dessen Nutzungsvertrag zum Ende 2012 ausläuft, aufzukaufen. Anschließend wollte er das Hochhaus abreißen und stattdessen eine Kunsthalle für seine Kunstsammlung errichten lassen. Allerdings stellte er für diese Schenkung die Bedingung, dass die Potsdamer Bevölkerung grundsätzlich und insgesamt diese Idee mittragen sollte. Wenn sich zu viele Widerstände zeigen sollten, würde er sich für seine Kunsthalle, in der Kunst der DDR und wechselnde Ausstellungen gezeigt werden sollen, einen anderen Standort suchen.

Ja, und wie es kommen musste, zeigten sich natürlich Widerstände, vor allem von der Partei Die Linke. So gut Herr Plattner zu verstehen ist, dass er seinen Vorschlag nur aufrechterhält, wenn dieser auch von allen begrüßt wird, so naiv ist es zu glauben, dass alle seine Idee Willkommen heißen. Wenn man sich von vornherein so äußert, sich beim kleinsten Widerwort zurückziehen zu wollen, holt man auch noch den letzten renitenten Troll aus seiner Erdhöhle, damit dieser sich erfolgversprechend produzieren kann. Jetzt wird zwar die Kunsthalle noch immer in Potsdam gebaut, aber nur am weit entlegenen Jungfernsee. Soll die Kunst nun in die Gesellschaft getragen werden oder will sie sich an einem der schönsten, aber recht unzugänglichen Flecken der Erde verstecken?

Zunächst einmal bin ich Hasso Plattner sehr dankbar für seinen Vorschlag. Er hat mir die Augen geöffnet. Bislang zerstört der Hochhaus-Block die Silhouette des ihn umgebenden Gebäudeensembles. Das Hotel-Hochhaus passt einfach nicht mehr in die Potsdamer Mitte! Sehen Sie auf dem Foto oben, wie der Schatten des Hotels auf das neue Landtagsgebäude fällt? Der Landtag wird beinahe symbolisch erschlagen. Ich weiß sehr gut selbst, es ist nur ein Schatten und das Hotel war nun einmal vorher da. Aber wie ist das Bild, das sich hier zeigt, historisch und politisch einzuordnen? Ist statt eines Schatten werfenden Riegels nicht eher eine der neuen Umgebung angepasste Nutzung höchst angebracht? Eine Kunsthalle! Diese Idee ist genial und nachdem sie das Licht der Welt erblickt hat, ist sie nicht mehr aus den Weg zu räumen.

Wer nun glaubt, dass ich generell gegen den Abriss von DDR-Architektur bin, nur weil ich bei den Abrissplänen des FH-Gebäudes am Alten Markt anderer Meinung bin (siehe Blogbeitrag „Einerlei: FH Potsdam-Gebäude sollte erhalten bleiben„), sieht sich getäuscht. Ich meine, jede Architektur und jedes Gebäude sollte unabhängig vom Errichtungszeitraum und Stil für sich betrachtet und ein Abriss, eine Erhaltung, eine Umnutzung jeweils abgewogen werden. Hierzu reicht keine zweidimensionale Sicht- und Argumentationsweise. Im Fall des Mercure-Hotels erkenne ich keine zwingende kulturhistorische, architektonische oder gesellschaftliche Gründe, es erhalten zu müssen. Im Gegenteil, um die Gestaltung der Potsdamer Mitte zu vollenden, sollte dieses störende Element entfernt werden, so es finanziell und juristisch durchführbar ist. Das schafft schließlich Raum für – hoffentlich – hochwertige Gegenwartsarchitektur.

Noch einmal: welche Chance wird vertan! An diesem zentralen Ort Potsdams könnte eine homogene Mischung einerseits aus Politik im Schlossnachbau und andererseits aus Gegenwartskunst in moderner, aktueller, nicht historisierender Architektur geschaffen werden. Und dies in Nachbarschaft zu einem öffentlichen Platz, der schon jetzt viel Raum bietet für Jahrmärkte und dergleichen Veranstaltungen für Menschen. Gleichzeitig würde ein Landschaftspark für Alle, der sich im besten Fall vom Lustgarten bis über die Kleingartenkolonie am Wasser entlang hinstrecken könnte, Entspannungsmöglichkeiten bieten. Auch wenn ich damit zusätzlich noch die Proteste der dort angesiedelten Kleingärtner herausfordere, die bislang dieses schöne Areal an der Havel für sich allein in Anspruch nehmen, so gefällt mir doch der Gedanke, dass aus der vormals unwirtlichen Brache des ehemaligen Preußendomizils ein weitläufiger und lebensnaher Aufenthaltsort für Bürgerinnen und Bürger, Politikerinnen und Politiker, Kulturschaffende, Touristen und – wenn es nach mir ginge – auch für die Studierenden der Fachhochschule Potsdam würde.

Vielleicht gibt es noch eine Chance, dies doch umzusetzen? Die Hoffnung darf man nie aufgeben.